Vitamin B12 und seine Wechselwirkungen
Unser Stoffwechsel ist ein komplexes System aufeinander aufbauender und sich ergänzender Reaktionen – kein Nährstoff wirkt darin für sich allein, sondern steht immer in Abhängigkeit und in Wechselwirkung mit zahlreichen anderen Nährstoffen. Das ist auch für Vitamin B12 der Fall. Während zahlreiche Krankheiten und Medikamente die Wirkung von Vitamin B12 negativ beeinflussen können, gibt es andererseits auch bestimmte Nährstoffe, welche seine Wirkung unterstützen oder sogar erst möglich machen. Dieser Artikel soll einen Überblick über diese Wechselwirkungen geben und Möglichkeiten für sinnvolle Nährstoffkombinationen sowohl für die Vitamin-B12-Therapie, als auch für den Alltagsgebrauch aufzeigen.
Vitamin B12 und Folsäure
Wie im Artikel Vitamin B12 und Folsäure ausführlich beschrieben, ist Folsäure der engste direkte „Partner“ des Vitamin B12. Vitamin B12 ist dafür verantwortlich, Folsäure nach verschiedenen Reaktionen wieder in ihre bioaktive Form zurück zu verwandeln – und so zu reaktivieren. Ohne Vitamin B12 erleidet der Körper schnell einen funktionellen Folsäure-Mangel, da die Folsäure in einer für den Körper unbrauchbaren Form feststeckt. Es ist zwar genügend Folsäure vorhanden, sie kann aber nicht verwertet werden. Andersherum braucht auch das Vitamin B12 die Folsäure: In der entsprechenden Reaktion gibt die Folsäure (genauer: Methyltetrahydrofolat) eine Methlygruppe an Vitamin B12 ab, wodurch letzteres zu reagiert. Das Methylcobalamin gibt die Methylgruppe daraufhin an Homocystein weiter, wodurch dieses in Methionin umgewandelt wird. Vitamin B12 und Folsäure sind in dieser Reaktion direkt voneinander abhängig, da sie nur in Gegenwart beider Reaktionspartner ablaufen kann. Folsäure-Mängel sind laut DGE eine der häufigsten Formen von Vitamin-Mängeln in Deutschland.
Biotin (Vitamin B7)
Die zweite bioaktive Form von Vitamin B12, das Adenosylcobalamin, benötigt hingegen Biotin (auch Vitamin B7 oder Vitamin H genannt) und Magnesium, um seine wichtige Rolle zur Funktion der Kraftwerke unserer Zellen, der Mitochondrien, erfüllen zu können. In diesem Fall ist die Abhängigkeit jedoch eine indirekte. Adenosylcobalamin ist Teil des Enzyms Methylmalonyl-CoA-Mutase, welches an der Umwandlung von Methylmalonyl-CoA zu Succinyl-CoA beteiligt ist. Methylmalonyl-CoA wiederum entsteht in einem vorhergehenden Umwandlungsschritt aus Propionyl-CoA – ein Schritt, für den Biotin und Magnesium benötigt wird. (1) Im Falle eines Biotin-Mangels kann daher eine Situation entstehen, in der zwar genug Adenosyl-B12 zur Verfügung steht, dieses jedoch nutzlos bleibt, da seine Reaktionspartner nicht gebildet werden können. Es würden dann die Symptome eines Vitamin-B12-Mangels entstehen, obwohl die B12-Blutwerte im Normalbereich liegen. Ein MMA-Urintest hingegen würde einen Vitamin-B12-Mangel anzeigen, obwohl tatsächlich gar keiner vorliegt. Eine Einnahme von weiterem Vitamin B12 würde dementsprechend auch keine Linderung der Symptome bringen, da es aufgrund des Biotin-Mangels weiterhin wirkungslos bleiben muss. Biotin reagiert sehr empfindlich auf freie Radikale – besonders bei Stress, Leistungssport und Krankheit steigt der Bedarf enorm, hier kann eine zusätzliche Biotin-Aufnahme nötig werden.
Calcium
Die Aufnahme von Vitamin B12 im Darm über den Intrinsic Factor ist ein Calcium-abhängiger Prozess. Im Falle eines Calcium-Mangels ist daher dieser Aufnahmeweg extrem eingeschränkt, wodurch leicht ein Vitamin-B12-Mangel entstehen kann. Dies ist zum Beispiel der Fall bei der Einnahme des Diabetes-Medikaments Metformin, welches den Calciumspiegel im Darm derart negativ beeinflusst, dass hier bei vielen Patienten B12-Mängel auftreten. Wie Studien zeigen konnten, lassen sich diese durch eine gleichzeitige Gabe von Vitamin B12 und Calcium jedoch ausgleichen. (2) Aufgrund schlechter Ernährungsgewohnheiten sind viele Menschen heute übersäuert. Dies führt dazu, dass große mengen Calcium verbraucht werden, um diese Säuren zu neutralisieren. Ein stark übersäuerter Darm kann so auch zu B12-Aufnahmestörungen führen. Nicht nur darum ist generell eine basische Ernährungsweise sehr zu empfehlen. Auch bei einem Vitamin D Mangel kann es zu Calcium-Mängeln kommen, auch wenn der Körper niedrige Calciumspiegel ausgleicht, indem er fehlendes Calcium aus den Knochen mobilisiert. Besonders kritisch ist es, wenn Vitamin-D-Mangel und Übersäuerung zusammen auftreten. Nicht nur in diesen Fällen kann eine Ergänzung der Vitamin-B12-Therapie mit Calcium sinnvoll sein, um die Aufnahme über den Intrinsic Factor zu optimieren. Hierbei sind die organischen Calcium-Salze (-citrat, -gluconat, -lactat) dem schwer resorbierbaren Calciumcarbonat vorzuziehen.
Vitamin B12 Umwandlung durch Vitamin B2 und B3
Eine weitere Wechselwirkung betrifft die Umwandlung von Vitamin B12 in seine bioaktiven Coenzym-Formen: Der Körper kann nur die B12-Formen Methylcobalamin und Adenosylcobalamin direkt verwerten, während alle anderen Formen von Vitamin B12 erst umgewandelt werden müssen. Diese Umwandlungsschritte sind abhängig von den B-Vitaminen Vitamin B2 (Riboflavin) und B3 (Niacin). (3) Im Falle einer Behandlung mit hohen Dosen von Cyanocobalamin oder Hydroxocobalamin kann es deshalb sinnvoll sein, diese Vitamine ebenfalls zu ergänzen oder ihre Aufnahme bei der Ernährung zu berücksichtigen.
Vitamin B12 sinnvoll kombinieren
Die Aufstellung zeigt, wie sensibel und verwoben das biochemische Gleichgewicht des Körpers ist. Eine gesunde, Rohkost-reiche und basische Ernährung beugt den meisten Nährstoffmängeln vor. Stress, Krankheit und Umweltgifte können dennoch zu diversen Mängeln führen. Bringt eine Vitamin-B12-Therapie nicht den gewünschten Erfolg, kann der Grund daher gut in einer der genannten Wechselwirkungen liegen. In beiden Fällen kann ein Kombi-Präparat sinnvoll sein, welches den gesamten B12-Wirkkomplex abdeckt und so eine optimale Aufnahme und Verwertung sicherstellt.
Quellen:
- 1 E.R. Stadtman, P. Overath, H. Eggerer, F. Lynen, The role of biotin and vitamin B12 coenzyme in propionate metabolism, Biochemical and Biophysical Research Communications, Volume 2, Issue 1, January 1960, Pages 1-7, ISSN 0006-291X, http://dx.doi.org/10.1016/0006-291X(60)90252-7.
- 2 Bauman WA, Shaw S, Jayatilleke E, Spungen AM, Herbert V. Increased intake of calcium reverses vitamin B12 malabsorption induced by metformin. Diabetes Care. 2000 Sep;23(9):1227-31. PubMed PMID: 10977010.
- 3 Pezacka E, Green R, Jacobsen DW. Glutathionylcobalamin as an intermediate in the formation of cobalamin coenzymes. Biochem Biophys Res Commun. 1990 Jun 15;169(2):443-50. PubMed PMID: 2357215.