Erhöhtes Homocystein – mögliche Ursache zahlreicher Krankheiten
Es wird als das neue Cholesterin bezeichnet und ist doch noch kaum bekannt: Die Amniosäure Homocystein steht immer mehr im Blickfeld der Medizin, da sie an der Entstehung zahlreicher Krankheiten beteiligt ist. Ein erhöhter Homocystein-Spiegel steht in Verbindung mit einer Schädigung der Blutgefäße und kann damit in der Folge zu Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfällen führen. (1-2) Außerdem wirkt sich zu viel Homocystein negativ auf die Zellgesundheit aus, was mit Demenzerkrankungen und Alzheimer in Zusammenhang gebracht wird. (3) Weitere Zusammenhänge mit Depressionen, Augenleiden und Osteoporose werden noch erforscht.
Bislang können nur etwa 50 Prozent der Herzinfarkte und Schlaganfälle medizinisch erklärt werden, weshalb intensiv nach neuen Risikofaktoren gesucht wird. Homocystein ist derzeit einer der aussichtsreichsten Kandidaten, diese Lücke zu füllen. Derzeit geht man davon aus, dass etwa 10 Prozent der Herzinfarkte und Schlaganfälle durch erhöhtes Homocystein zu erklären sind . (4,5)
Homocystein schädigt in hoher Konzentration direkt die Zellen, weshalb es teilweise als Zellgift bezeichnet wird. Diese Bezeichnung ist etwas irreführend, da Homocystein ein notwendiges und natürliches Zwischenprodukt des Stoffwechsels ist. Gleichzeitig führt es zu einer Verdickung des Blutes, so dass es gleich von zwei Seiten zu einem erhöhten kardiovaskulären Risiko beiträgt. (6)
Homocystein und die Vitamin-B12-Versorgung
Normalerweise stellt Homocystein ein Zwischenprodukt des Stoffwechels dar, welches in den Körperzellen anfällt und vom Körper zu anderen Stoffen, wie dem wichtigen S-Adenosylmethionin (SAM) weiter verarbeitet wird, das die Grundlage zur Synthese vieler gesundheitsrelevanter Stoffe bildet.Für diese zum Umbau des Homocysteins nötigen Stoffwechselschritte werden jedoch Vitamin B12 und Folsäure gebraucht – fehlen diese Vitamine, kann das Homocystein nicht weiter verwertet werden und steckt in einer Sackgasse. Das entstehende Homocystein sammelt sich so an und wird ab einem bestimmten Grad kritisch für die Gesundheit.
Homocystein kann außerdem auf einem zweiten Stoffwechselweg in der Leber und Niere mit Hilfe von Betain ebenfalls zu Methionin umgewandelt oder mit Hilfe von Vitamin B6 zu Cystein abgebaut werden. Die kritischen Faktoren für den Homocystein-Spiegel sind damit Vitamin B12, Folsäure, Vitamin B6 und Betain, wobei Vitamin B12 und Folsäure die größte Bedeutung zukommt.
Homocysteinämie als Indikator für einen Vitamin-B12-Mangel
Aufgrund des engen Zusammenhangs wird Homocystein auch als indirekter Indikator für einen Vitamin-B12-Mangel verwendet. Erhöhte Homocystein-Werte, auch Homcysteinämie genannt, deuten oft auf einen B12-Mangel hin – allerdings kann auch fehlende Folsäure die Ursache sein. Da die Bestimmung von Serum-Vitamin-B12 sehr unzuverlässig ist, wird oft Homocystein mit bestimmt, um das Ergebnis besser interpretieren zu können.
Homocysteinwert
Der für die Diagnose relevante Homocysteinwert wird im Blut gemessen, hier eine Übersicht über die gängige Interpretation der Werte.
Interpretation | Homocysteinwert µmol/L |
Normalwert | < 8 -10 |
Erhöhte Werte | 10 – 12 |
Kritische Werte (dringender Handlungsbedarf) | > 12 |
Homocysteinspiegel: Risiko für Ältere Menschen und Veganer
Hohe Homocystein-Werte finden sich besonders häufig bei älteren Menschen und Veganern. Ursache ist oftmals ein Mangel an Vitamin B12. Während die vegane Ernährung natürlicherweise wenig Vitamin B12 enthält, sind es bei älteren Menschen vor allem Aufnahmestörungen, die einen Mangel verursachen. Bei älteren Menschen weisen etwa 40-60 Prozent der Menschen ein erhöhtes Homocystein auf.
Ein Risiko für hohe Homocystein-Werte besteht ebenfalls bei hohem Konsum von Alkohol und Kaffee, Einnahme bestimmter Medikamente und Krankheiten an Magen, Darm und Leber. Einzelheiten hierzu finden sich in unseren Darstellungen zum Vitamin-B12-Mangel.
Homocystein – nur ein Indikator?
Die Beurteilung von Homocystein als Risikofaktor wird teilweise auch kritisch betrachtet. Mag. Norbert Fuchs etwa argumentiert, Homocystein wäre nicht selbst Auslöser von Krankheiten, sondern nur der Botschafter eines Nährstoffmangels. Es sei dieser Nährstoffmangel, der viel mehr das eigentliche Problem darstelle, als das Homocystein selbst. (7) Homocystein zeige lediglich eine Störung im Methylgruppentransfer an, der eine wesentliche Bedeutung im Aufbau und in der Regeneration neuer Zellstrukturen, in der Hämatopoese, im cardio-vasculären Stoffwechsel und der Synthese von Neurotransmittern hat.
Die in diesem Zusammenhang beteiligten Stoffe Cholin, Betain, Vitamin B6, Vitamin B12 (Methylcobalamin), Folat (Methyl-THF) und SAM weisen alle eine viel direktere Verbindung zu den dem Homocystein zugeschriebenen Symptomen auf und seien damit die eigentliche Ursache. Homocystein zu senken sei damit zu kurz gedacht, vielmehr müsse die Nährstoffversorgung kontrolliert und optimiert werden.
Allerdings weisen neuere Studien durchaus auf eine direkte, kausale Beteiligung des Homocystein hin.
- Mehr Informationen: Homocysteinspiegel: Gefahren durch erhöhtes Homocystein
Homocystein senken mit Vitaminen
Ob Homocystein also nur ein Indikator, oder selbst ein schädlicher Stoff ist, ist noch Teil der Diskussion. Die beste Vorsorge gegen zu hohe Homocystein-Werte und die in Betracht kommenden Nährstoffmängel sind aber so oder so Vitamine. Am Häufigsten ist dabei in Deutschland ein Mangel an Vitamin B12 und Folat, seltener sind Vitamin B6 oder Betain gefragt.
Neben den üblichen Vitamin-B12-Präparaten gibt mittlerweile es auch speziell Kombi-Präparate, die auf die Reduktion von Homocystein zugeschnitten sind und alle relevanten Nährstoffe enthalten. Ob ein solches Präparat tatsächlich sinnvoll ist, kann zunächst über einen einfachen Bluttest bei Hausarzt festgestellt werden. Besonders Veganer und ältere Menschen sollten ohnehin ein Augenmerk auf ihre B12-Versorgung richten, hier reicht aber oft auch ein einfaches B12-Präparat.
Quellen
- 1 Fanapour PC, Yug B, Kochar MS. Hyperhomocysteinemia: an additional cardiovascular risk factor. WMJ. 1999 Dec;98(8):51-4. Review. PubMed PMID: 10639897.
- 2 van Beynum IM, Smeitink JA, den Heijer M, te Poele Pothoff MT, Blom HJ. Hyperhomocysteinemia: a risk factor for ischemic stroke in children. Circulation. 1999 Apr 27;99(16):2070-2. PubMed PMID: 10217643.
- 3 SESHADRI, Sudha, et al. Plasma homocysteine as a risk factor for dementia and Alzheimer’s disease. New England Journal of Medicine, 2002, 346. Jg., Nr. 7, S. 476-483.
- 4 Christine Vetter. Homocysteinämie – Risikofaktor für Herz und Gefäße. Zahnärztliche Mitteilungen 23/2003
- 5 Stanger O, Herrmann W, Pietrzik K, Fowler B, Geisel J, Dierkes J, Weger M; DACH-LIGA Homocystein e.V. DACH-LIGA homocystein (german, austrian and swiss homocysteine society): consensus paper on the rational clinical use of homocysteine, folic acid and B-vitamins in cardiovascular and thrombotic diseases: guidelines and recommendations. Clin Chem Lab Med. 2003 Nov;41(11):1392-403. Review. Erratum in: Clin Chem Lab Med. 2004 Jan;42(1):113-6. PubMed PMID: 14656016.
- 6 Guilland JC, Favier A, Potier de Courcy G, Galan P, Hercberg S. [Hyperhomocysteinemia: an independent risk factor or a simple marker of vascular disease?. 1. Basic data]. Pathol Biol (Paris). 2003 Mar;51(2):101-10. Review. French. PubMed PMID: 12801808.
- 7 Norbert Fuchs. Homocystein – Risikofaktor, der keiner ist. PharmaTimes, 04/2011